„Which brings us here, with me talking about the focus of both Vultures and The World Maker Parable. Both are fantasies of the darkest kind. More specifically, they are what I like to call psychological fantasy as they dig deep into the psyche of their characters and the world at large, commenting on anxiety, depression, guilt, regret, anguish, rage, and much more. They are emotional books—I think, at least in regard to my own work, books should make you ask questions; they should linger in your mind long after you have finished. I seek to tell stories, yes, but I also aim to address what some might shy away from. I know that sounds a bit like I’ve got my nose in the air, but what I mean is that characters who are grounded in reality, who deal with much of the same mental and emotional turmoil that many of us in real life do, can sometimes provide a bit of catharsis, either in reading or in writing them. A lot of the characters in my books are damaged; a lot, but not all, of what they deal with mentally and emotionally are drawn from personal experience. For me, writing these books was as much about telling the stories I want to as it was putting my demons in plain sight and addressing them.

There is truth in madness.“ Luke Tarzian

Wusstet ihr, dass es im Englischen bereits ein Subgenre für Psychological Fiction gibt? Dabei handelt es sich um ein narratives Genre, das die innere Charakterisierung und Motivation der Protagonist:innen betont, mit dem Fokus, ihr spirituelles, emotionales und mentales Leben zu erforschen.

Im Oktober 2020 haben wir im Rahmen von FaKriRo Online gemeinsam einen Talk zu diesem Thema aufgenommen, den es unter anderem auf Spotify zu hören gibt:

Psychologische Fantasy als Genre

Gemeinsame Wurzeln

In „fantastischen Klassikern“ des 19. Jahrhunderts, wie Alice im Wunderland oder Frankenstein, wurde das Fantastische genutzt, um Themen darzustellen, die zur damaligen Zeit nicht regulär veröffentlicht werden konnten/durften. So konnte man verarbeiten, worüber gesellschaftlich nicht gesprochen wurde. So ließen sich Phänomene beschreiben, die die Autor:innen selbst nicht komplett verstanden (wenn Leute Stimmen hörten z.B., …) Während man sich in den Jahrhunderten zuvor noch an die Kirche gewandt hat, um Hilfe und Antworten zu erhalten, galt das 19.  Jahrhundert hingegen als Zeit der Wissenschaften.

Die Psychologie, die eine wissenschaftliche Erklärung für viele bis dato unbekannte Syndrome und Verhaltensweisen lieferte, kam erst Anfang des 20. Jahrhunderts auf. Dies merkt man auch den Büchern des 19. Jahrhunderts an, die fantastische Elemente beinhalten: Psychologischer Phänomene werden als herausgerissene Teile aus der Ich-Perspektive dargestellt oder finden sich als Beschreibung von Verhaltensweisen anderer Figuren wieder. Ab dem 20. Jahrhundert werden diese Teile psychologisch plastischer, runder, weil die Zusammenhänge bekannt waren: Während Themen wie Verlust und Trauer zuvor metaphorisch behandelt wurden, entwickelte sich mit Auftreten der Psychologie als Wissenschaft ein immer bewussterer Umgang mit derartigen Themen, was sich auch in der Literatur niederschlägt. Gefühle und Traumata werden zunehmend konkreter benannt und beschrieben, der Umgang in Geschichten findet bewusster statt.

Zerrissenheit und Psychologisches waren schon immer ein wichtiger Punkt des Fantasy/Horror, weil unterdrückte Gefühle auf diese Weise zum Ausdruck gebracht werden konnten. Die fantastischen Elemente wurden erst später durch moderne Medien stärker in den Fokus gerückt. So ist es heutzutage nicht unüblich, wenn viele beim Thema „Fantasy“ gleich an Elfen, Drachen oder auch Vampire und Magie denken, die zunehmend in den Vordergrund gestellt wurden. Die fantastischen Elemente sind dadurch nicht mehr das Kommunikationsmittel, um Zerrissenheit darzustellen, sondern um das Element als solches, als etwas Fantastisches, zu präsentieren. Die Thematisierung psychologischer Phänomene wird in einzelnen Werken jedoch immer konkreter, weswegen sich im englischsprachigen Raum bereits ein eigenes Subgenre – „Psychological Fantasy“ – herausbildet.

Was verstehen wir unter „Zerrissenheit“?

Aus Ängsten und Traumata kann Fantastisches entstehen. Die Handlung eines solchen Romans entsteht womöglich erst durch die innere Zerrissenheit der Figuren – Juliet May

  • Ambivalenz, Moral und Erwartungshaltungen von außen, Innen- und Außen, Auseinandersetzung mit diesen beiden Gegenpolen
  • Fantasy: Wie integriert der Protagonist äußere Elemente?
  • Geistig werden fantastische Elemente ins Spiel gebracht, um schlimme Situationen (Außen) erträglicher zu machen (Innen) – Zerrissenheit
  • Abwägen von Möglichkeiten, oft gar nicht bewusst -> nicht immer konkrete Gedanken, in denen man sich direkt mit dem Problem auseinandersetzt, sondern subtil dargestellt, metaphorisch

Klassische Symbolik des 19. Jahrhunderts

  • Wunderland vs. Realität: Sprechende Tiere, Ängste, die Form annehmen (z.B. bei Alice im Wunderland)
  • Ewiges Leben vs. Tod: Älterwerden, Angst vor dem Tod (z.B. Bildnis des Dorian Gray / Dracula / Frankenstein)
  • Sub-Genre des Portal-Fantasy: Überspringen zwischen Realität und fantastischer Welt – wenn man es nutzen möchte (Todessamen?)
  • Stimmen-Hören und Geister-Sehen: Übernatürliches, das sonst nicht da wäre. Imaginäre Freunde (Die Drachenkopf-Chroniken), verlorene Erinnerungen und gefüllte Lücken
  • Gestaltwandlung / Halluzinationen
  • Fabrikationen jeglicher Art (heile Welt, Freunde, …)
  • Träume zur Darstellung von Ängsten oder Übernatürlichem / Unverarbeitetem

Diese Symbole wurden häufig unbewusst eingesetzt, um Zerrissenheit darzustellen

Sprachliche Darstellung von Zerrissenheit im 20./21. Jahrhundert

  • Heute sprachlich ausgestaltet: Zerrissenheit als bewusstes Stilmittel
  • Platter Kontrast zwischen Innenwelt und Außenwelt: Besonders greifbar durch Perspektivenwechsel
  • Sehr umfangreiche Storys, meist Mehrteiler
  • Stark Protagonist:innen-zentriert

Psychologische Fantasy auf dem Vormarsch?

„Was psychologische Fantasy ausmacht? Die Leute machen die Handlung und nicht die Handlung macht die Leute.“ – Vinachia Burke

Die Zerrissenheit der Figuren bringt etwas hervor – aus ihr entsteht die Handlung des Romans. Oft liegen Traumata zugrunde, die diese Zerrissenheit hervorrufen. In der Fantasy kann man diese leichter darstellen, man kann leichter verarbeiten, weil uns viele Dinge gar nicht bewusst zugänglich sind – die Fantasy ist frei. Frei, um auszusprechen und darzustellen, was gesellschaftlich immer noch tabuisiert wird, wenn auch nicht mehr so stark wie vor 200 Jahren.

Viele stürzen sich auf die „Ästhetik“ des Fantasy und lesen oder schreiben Fantasy um der Fantasy Willen. So entstehen mitunter „Mittelalter-Romane“, „Vampir-Storys“, etc., weil die Themen spannend sind. Unbewusste Motive können auch hier ebenso transportiert werden. „Psychologische Fantasy“ nutzt die Fantasy hingegen, um innere Zerrissenheit / psychologische Themen bewusst zu transportieren, sie jedoch subtil / unter einem Deckmantel zu verarbeiten.

Gründe für psychologische Fantasy als Genre:

  • Genres entstehen, um verschiedene Erwartungen und Bedürfnisse zu bedienen und leichter passende Literatur zu finden
  • Komplexe Charaktere = Verständnisschwierigkeiten beim Leser, andere Erwartungen an „Fantasy“
  • Notwendigkeit in der Gesellschaft gegeben: Social Media, etc. werden immer offener für psychologische Themen, viele verspüren das Bedürfnis danach; generative Traumata – durch das Internet und den dort offeneren Umgang, entstehen Neugier und Bedürfnisse sowie Möglichkeiten der Darstellung
  • Einordnung oftmals unter „Dark Fantasy“, weil psychologische Themen in Form dunkler Motive behandelt werden, allerdings schürt dies wieder falsche Erwartungen bzw. macht das Genre der Dark Fantasy zu breit oder Einordnung nach dem „Setting“, z.B. „Historische Fantasy“, obwohl die Themen selbst unter die psychologische Fantasy fallen
  • Schwerpunkt liegt auf dem Innenleben der Protagonist:innen – andere Zielgruppe, die ansonsten vielleicht kaum/gar nicht Fantasy liest. Man muss Bücher allerdings nicht mit diesem psychologischen Fokus lesen, um die Geschichte zu genießen.

„Es ist nicht einfach, solche Romane zu finden, weil die unter allem möglichen eingeordnet sind.“ – Vinachia Burke

Es gibt jedoch ein Publikum und einen Markt dafür. Psychologische Fantasy nach den hier genannten Kriterien findet sich in allen möglichen Settings (historisch, Dystopie, Romantasy, High/Low Fantasy, Urban, Steampunk, …). Mit einer Doppel-Kategorisierung (z.B. Einordnung unter „Urban Fantasy“ und „Psychologischer Fantasy“) ließen sich Fantasy-Romane mit psychologischem Schwerpunkt leichter für interessierte Leser:innen finden.

Das Psychologische kann man prinzipiell in jedem Genre darstellen, aber Fantasy entführt einen in andere Welten. Dadurch wirkt das Psychologische / die Zerrissenheit subtiler und drängt sich nicht stark auf. Auch der Zugang ist mitunter leichter, der Wiedererkennungswert mit den Figuren womöglich größer. Man wächst mit den Charakteren oft besser/enger zusammen, weil Fantasy-Romane meist umfangreicher bzw. in Reihen angelegt sind, wodurch sich die Entwicklung der Charaktere besser beobachten lässt. Das Fantastische bietet unendlich viele Möglichkeiten, weil kein Genre so frei ist wie dieses. Die Thematisierung in Gesellschaftsliteratur wird oft als deprimierend empfunden. Tatsachenberichte / Gegenwartsliteratur erweckt aufgrund der direkten Darstellung oft den Drang in einem, sich davon abzugrenzen – in Fantasy fühlen wir uns den Figuren letztendlich oft näher. Die größere Bereitschaft der Leser:innen, das Dargestellte in Fantasy positiv aufzunehmen, ist dadurch größer – das Stigma des „Abnormalen“ entfällt bei der Darstellung innerer Konflikte und psychischer Krankheiten.

Warum wir „Ambivalentasy“ gegründet haben

Im Moment ist es nicht leicht, Fantasy-Romane mit psychologischem Schwerpunkt zu finden, wenn man gezielt danach sucht, obwohl viele bereits existieren. Dass unsere Bücher lediglich unter dem Genre „Fantasy“, „Dark Fantasy“ oder eben „Historische Fantasy“ gelistet sind, weckt mitunter falsche Erwartungen bei den Leser:innen. Wir möchten hiermit eine Plattform schaffen, auf der wir Werke präsentieren, die unserer Meinung nach gut in das Genre der psychologischen Fantasy passen würden, da es eine solche Kategorisierung bisher (noch) nicht gibt.

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